In der Außenpolitik hat Berlin Probleme mit allen wichtigen Partnern. Das wiedervereinte Deutschland steht einsamer da, als sich das 1990 viele vorstellen konnten. Verändert sich die Position des Landes?
Deutschland befindet sich außenpolitisch in einer Lage, die man früher als prekär bezeichnet hätte. Zu keinem seiner wichtigen Verbündeten und Partner hat es gute Beziehungen – weder in Europa noch über den Atlantik hinweg. Der Grad der Verstimmung reicht von wirtschaftspolitischem Grundsatzstreit bis zu offener geopolitischer Gegnerschaft. Misstrauen und Vorwürfe haben sich in Beziehungen geschlichen, die über Jahrzehnte hinweg von routinierter Zusammenarbeit geprägt waren. Das mag zum Teil der Tagespolitik geschuldet sein, ist also nicht unumkehrbar. In der Summe entsteht aber doch der Eindruck, dass sich die deutsche Position in der Welt schleichend verändert.
Am längsten währt dieser Prozess in den deutsch-amerikanischen Beziehungen. Vom Zerwürfnis über den Irak-Krieg haben sie sich bis heute nicht erholt; Zeiten offener Konfrontation (Libyen, Fiskalpolitik) wechseln ab mit Phasen der Zusammenarbeit (aktuell die Bekämpfung des „Islamischen Staats“). Den größten Flurschaden dürfte die NSA-Affäre hinterlassen, in der die deutsche Führung vergebens darauf hoffte, von Washington so behandelt zu werden wie andere, als treu geltende Alliierte.
Dass man in Berlin „Freundschaft“ verlangte, die amerikanische Seite aber nur von „Partnerschaft“ redete, zeigt die Tiefe des Missverständnisses über die Natur der Beziehungen. Deutschland, so viel kann man mit Sicherheit sagen, wird für Amerika nie ein zweites Großbritannien sein. Es gäbe genug geteilte Werte, aber es fehlt nun an Verlässlichkeit – auf beiden Seiten.
In Europa sieht es nicht besser aus. In der Vergangenheit galt es als beunruhigend, wenn eine Fehlfunktion des deutsch-französischen Motors die EU zum Stottern brachte. Das erscheint heute als Luxusproblem, denn Deutschland hat gravierende Meinungsverschiedenheiten mit sämtlichen großen Ländern in Europa: mit Frankreich und Italien über Haushaltsdisziplin und Reformpolitik, mit Großbritannien über die Zukunft der europäischen Einigung. Da geht es nicht mehr um Einzelfragen in diesem oder jenem Dossier, sondern ums Eingemachte. In den beiden romanischen Ländern herrschen grundsätzlich andere Vorstellungen über Wirtschaftsordnung und Lebensart; in Großbritannien folgt niemand mehr der deutschen Integrationslogik.
Dass die Bundesregierung in der Euro-Krise auf Unterstützung aus Finnland oder den Niederlanden bauen musste, zeigt, wie viel verlorengegangen ist. Unter Kohl lautete die Devise, man müsse die kleinen Länder einbeziehen. Heute sind sie an manchen Tagen Deutschlands einzige Verbündete in Europa.
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